Tag 36
Schon am Morgen entschied sich Millos den ersten Teil der Etappe allein zu meistern, Tim und Alex hatten derweil stark mit der Morgenmüdigkeit und diversen Gliederschmerzen zu kämpfen. Erst als ein altes, gebrechliches Ömchen die beiden überholte, erwachte ihr Ehrgeiz zu neuem Leben und so holten sie Millos im nächsten Ort ein, von wo aus wir mit ihm und einer Dänin, welche Millos auf dem Weg getroffen hatte, weitergingen. Die Dänin stellte sich geschwindigkeitstechnisch als ein Griff ins Klo heraus und so zog das Triplett alleine weiter. Die Etappe wurde bis Estella zunehmend härter und so erreichten wir sehr erschöpft die Herberge, aus welcher uns spirituelle Klänge entgegenhallten. Den Tag verbrachten wir wie immer mit Schlafen, Essen und in der Sonne liegen, ohne kulturell aktiv zu werden. Einziger Höhepunkt des Tages war das Auftreten eines alten Bekannten, liebevoll "Schinken" genannt, welcher uns schon in Puente la Reina über den Weg gelaufen war. Reichlich angetrunken verkündete der Hundebesitzer stolz den Kauf eines Esels, den er am nächsten Tag erhalten sollte (Wortlaut: "Das ist ein Kumpel von mir, der mir den verkauft. Der bescheisst mich nicht!"). Zur Feier des Tages bot er uns einen Schluck von seinem zweifellos guten Tropfen an, welchen wir jedoch dankend ablehnten und uns in die Herberge begaben.
Tag 37
Als wir am nächsten Morgen mit Benedikt im Schlepptau die Herberge verliessen, um uns auf den Weg nach Los Arcos zu machen, hallte von hinten ein "Kssht!" an unsere Ohren. Denni und Phil hatten auch in Estella übernachtet, jedoch in einer anderen Herberge und somit machten wir uns gemeinsam auf den Weg. Auf der Hälfte der Strecke hatten wir den tragischen Verlust von Millos, welcher letztendlich doch von seinem schmerzenden Knie dahingerafft worden war, zu betrauern, trotzdem liefen wir weiter und kamen gegen Mittag im beschaulichen Los Arcos an. Dort liessen wir uns in einer belgischen Herberge mit sehr strenger Herbergsmutter nieder. Tim versuchte die Frau in eine politisch-brisante Diskussion zur Zukunft Belgiens zu verwickeln, scheiterte jedoch kläglich an ihrer kalten Bissigkeit, ganz zum Vergnügen der anderen. Den gesamten restlichen Tag verbrachten wir damit Kopfstand zu üben und die Steinskulpturen auf der nahegelegenen Wiese aufs Obszönste zu vergewaltigen. Am Abend machten wir Chilli con Carne und lernten dabei 2 sehr nette Studentinnen (eine aus Frankreich die andere aus Spanien) kennen. Mit den Themesongs diverser Kinderserien sangen wir uns schliesslich in den verdienten Schlaf.
Tag 38
Millos, welcher sich an diesem Morgen eher als langsam einschätzte, verliess die Herberge mit den Worten "Wir sehen uns in 5 Minuten.". Das Wiedersehen erfolgte jedoch erst um 1 Uhr mittags in Logroño, wo er bereits eine Stunde vorher in die erstbeste Herberge eingecheckt war. Die Etappe gestaltete sich im Grossen und Ganzen als sehr ausdauerzehrend, da man die Stadt schon 25 Kilometer vor Ankunft sehen konnte, sich ihr aber scheinbar nicht näherte, ganz gleich wie viel man lief. Vor allem die letzten 5 Kilometer gestalteten sich wie so häufig als besonders anstrengend. Auf dem Weg zum Supermarkt begegneten wir zufällig Charlotte und Christian (2 Bekannte aus Pamplona), mit welchen Millos und Alex noch den Abend feuchtfröhlich verbrachten, während sich der restliche faule Haufen schon zu Bett begeben hatte.
Tag 39
Die Etappe war eher langweilig und war geprägt von der dem Weg nahegelegenen Autobahn. Anfangs noch überflügelten Millos und Alex den restlichen Trupp, wurden jedoch kurz vor Navarette von ihnen eingeholt. Alex beschloss aufgrund seiner Fussschmerzen noch eine Weile am zuvor geplünderten Birnenbaum zu warten und allein weiterzugehen, während sich der Rest in Bewegung setzte. Kaum hatte er sich den viel zu schweren Rucksack aufgeschnallt und die Ohrstöpsel eingesteckt, kreuzte ein bereits bekanntes Gesicht seinen Weg. Der junge Mann stellte sich als "Paverl" vor und so liefen die beiden ein ganzes Stück zusammen, besuchten sogar eine Kirche und hatten viel zu erzählen, bis sich Alex auf den Lokus im Busch begab und Paverl beschloss schonmal weiterzuziehen. Die Triste Autobahn vor Augen steckte sich Alex erneut die Kopfhörer in die Ohren, doch schon nach 2 Liedern erblickten seine von der Sonne ausgetrockneten Augen ein weiteres bekannten Gesicht am Wegesrand. Es war Millos, der die Aussicht auf die wunderschöne Autobahn mit ein paar Keksen fröhnte.
Auf dem weiteren, ebenfalls tristen Weg schienen sich Alex und Millos Körper selbst zu zerstören, sodass jeder Schritt zur Höllenqual wurde. Kurzerhand beschlossen sie den nächsten Tag Pause zu machen. Von dieser Aussicht leider nur maginal beflügelt kamen die beiden erst 2 Stunden nach den anderen in Nájera an. Der Nachmittag verlief wie immer. Essen, Schlafen, Kopfstand üben.
Tag 40
Der unermüdliche und zweifellos den anderen beiden Noggern an Ausdauer und Selbstdisziplin überlegene Timbo hatte am Abend zuvor bereits beschlossen die Etappen bis Burgos mit Phil, Denni und Benedikt zu laufen, und so wachten Millos und Alex am nächsten Morgen in einem völlig leergefegten Schlafsaal auf. Erstes Ziel des Tages war die Gewichtsreduktion des Rucksacks und so begaben sich die beiden zur städtischen Post. Dort warfen die beiden alles was man zum Überleben normalerweise braucht in einen Karton, und schickten insgesamt 6 Kilo nach Hause zurück. Da man nur einen Tag in einer Herberge bleiben darf, liefen die Beiden einen Ort weiter nach Azofra, wo sie die "Albergue Municipal" aufsuchten, ein schickes, grosses Gebäude mit 2-Bett-Zimmern und einem Brunnen im Hof. Nach einem ausgiebigen Menü in einem der Restaurants kehrten die beiden wohlgenährt und schlafbereit zurück. Doch niemand hätte Ahnen können was dann passierte:
Als wir unsere gewaschenen Klamotten von der Wäscheleine holten, enttarnte uns ein Euskirchener mittleren Alters als Deutsche und verwickelte uns in ein zuerst interessantes Gespräch, welches jedoch schon kurz danach zum Monolog wurden, in dem der Mann ("Siegfried" sein Name) über seine berufliche Karriere erzählte. Nach Berichten über Steuerberaterausbildungen und seine Zeit beim Notdienst geriet das Gespräch... perdon, der Monolog völlig ausser Kontrolle. Siggi stellte sich als vollkommen verrückt heraus und fing an uns über seine unglaublich verdrehte Weltansicht aufzuklären, was sich auf Milli und Alex wie ein Drogentripp auswirkte. Zum einen war er der Meinung Menschen nur durch Berührungen von kleinen und grossen Übeln heilen zu können, zum anderen war er davon überzeugt durch obskure Techniken ("Familienaufstellung" das Wort) seiner Meinung nach banale Krankheiten wie Krebs oder ADHS erkennen und kurieren zu können. Alles selbstverständlich nur Dank des Lichtes, welches direkt aus dem Himmel in seinen Kopf schiesst. Zudem war der Mann auch noch streng gläubig und sämtliche Versuche seitens Alex, den Mann aus dem Konzept zu bringen scheiterten an seinem Untalent einfach nicht Erklären zu können, was uns noch mehr verwirrte.
Das Löschen der Lichter auf dem Hof rettete uns vor weiteren, schwerwiegenden traumatischen Schäden und so stürzten wir Tränen lachend in unser Zimmer.
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