Mittwoch, 24. August 2011

Stirb, Meseta!

Tag 47

Landschaftlich sollten die folgenden Tage wirklich einseitig und anstrengend werden. Die ewigen Getreidefelder und der fehlende Schatten schlauchten uns ziemlich. Als wir Abends in Castrojeritz ankamen, waren wir sehr erleichtert, da diese kleine Stadt uns die noetige Ration von Zivilisation gab. Die Herberge bot uns eine fantastische Kueche, in der Phil, Millos und Alex ihren beruehmten HartzIV-Zigeunertopf zubereiteten. Tim begnuegte sich mit Nudeln mit Thunfisch.

Tag 48

Timbo und Alex liessen sich von der harten Meseta nicht schocken: Sie wollten an diesem Tag ihre erste (und auch letzte) 40km Etappe bestreiten, von Castrojeritz bis Sahagun. Der Plan war verwegen, cool und wahnsinnig, weswegen Phil und Millos beschlossen, es ruhiger angehen zu lassen und nur 30km zu gehen.
In einem Affenzahn (genau genommen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 6,5km pro Stunde) erreichten sie das Etappenziel von Phil und Millos, Templarios. Die letzten 10km bis Sahagun wurden aber zur Hoellenqual, was vor allem daran lag, dass man die Stadt schon aus 6km Entfernung sehen konnte, sich ihr aber scheinbar nicht naeherte. Total erschoepft und mit pochenden Fuessen erreichten sie schliesslich die Herberge und waren fuer die naechsten Stunden nicht mehr faehig, sich zu bewegen. Dort trafen sie uebrigens auch Mat, einen Amerikaner, der uns nun ja schon oefter begegnet ist und vor Sahagun einige Tage in Madrid verbrachte, um sich die dortigen Aufstaende anzusehen (was dazu fuehrte, dass er mitlerweile pleite ist). Unerwarteterweise trafen gegen 4 Uhr auch noch Millos und Phil ein, die sich doch noch nach Sahagun geschleppt hatten. Warum sie das getan hatten, konnten die beiden selber nicht mit Gewissheit sagen. Es muss eine Portion Irrationalitaet im Spiel gewesen sein.

Tag 49

Danach zeigte sich die Meseta wieder von ihrer langweiligen Seite. Wir waehlten eine alternative Route des Jakobsweges um in einen Ort namens Hermanillos zu gelangen. Dort gab es nur einen Supermarkt, der von einem alten, ungefaehr 50cm grossen Mann gefuehrt wurde. Der Markt war allerdings so klein, dass auch der Besitzer nur noch gerade so hineinpasste. Ausserdem wurde jeder Kunde einzelnd bedient und alle Artikel wurden vom Besitzer persoenlich aus den Regalen geholt. Was dieser mit viel, viel Ruhe tat. Millos und Tim mussten 30 Minuten warten, bis sie ihre Wuensche vorbringen konnten.
Die Ruhe der Spendenherberge wurde dann Abends von einem aleteren Herren aus dem Dorf gestoert, der es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht hat, den Pilgern seine Trompetenkenntnisse zu beweisen. Das Problem war, dass er leider keine Trompetenkenntnisse besass.

Tag 50

Wir naeherten uns Leon, mussten aber vorher noch in Manzilla de las Mulas uebernachten. Die Herberge wurde von einer grantigen Oma und ihrer agressiven Tochter gefuehrt, die uns oefter mit dem Besen drohte, sich aber im Endeffekt als doch ganz nett herausstellte. Als Phil fast mit ihr zusammengestossen waere und aufgrund fehlender Sprachkenntnisse mehrere Stunden versuchte, ihr und zu Hilfe eilenden Uebersetzern zu erklaeren, dass er das nicht wollte, taute sie schliesslich etwas auf.

Tag 51

Leon bot uns endlich wieder die Moeglichkeit, durch grosse Einkaufsstrassen zu flanieren, was Phil und Alex sofort nutzten. Sie kauften zwei Gummikatzen, die beim Draufdruecken quietschen und eine kleine Soundstation. Alles was der Pilger braucht.
Aufgrund ihres Quietschens wurde ein duesseldorfer Ehepaar auf sie aufmerksam, deren Hund sie erschreckten. Die beiden Duesseldorfer luden sie netterweise zum Essen ein, und gluecklicherweise fand Tim die Vier im Restaurant vor und setzte sich dazu. Fuer uns alle fielen im Endeffekt viele Gambas und spanischer Schinken ab und die Bekanntschaft mit dem Ehepaar hat sich sehr ausgezahlt.
Abends genehmigten wir uns dann ein grandioses Muesli, was allerdings eher am Mangel an Alternativen lag, da die kirchliche Herberge keine Kueche besass.

Tag 52

So gut wie der vorherige Tag war, so schlecht war dann der Folgende. Es war die ganze Zeit grau und bewoelkt, wir stapften an der Autobahn vorbei und die Herberge, in die wir kamen, war anscheinend aufs Abzocken von Pilgern spezialisiert, da die Benutzung der Kueche 1,50€ kostete. Der Einzige, der auf seine Kosten kam, war Phil, der in der Dusche ganz natuerlichen Trieben nachging. Das soll hier aber zur Wahrung des hohen Niveaus nicht naeher erlaeutert werden.

Tag 53

Die Tradition, dass sich gute Tage mit schlechten abwechseln, bestand fort. Das Wetter wurde besser und auf der Haelfte der Etappe, hatte ein Spanier namens David einen Stand aufgebaut mit allem, was ein hungriger Pilger braucht. Bananen, Schokolade, Trockenobst, Saeften. Und alles war umsonst! Als wir ihn fragten, wieso er das tue, antwortete er nur "Love."
So eine Selbstlosigkeit waere zwar nichts fuer uns, aber im Profitieren waren wir schon immer gut.
Heute Abend sind wir Astorga.

Donnerstag, 18. August 2011

Tag 41

Aus Tims Sicht: Nachdem ich meine schwaechelnden Freunde [arrogante Anwandlungen sind hier rein zufaellig] zurueckliess und mit Danny,Phil und Bene weiterging, entwickelte sich eine enge Bande zwischen uns. In Belorado willigte ich sogar auf Benes Wunsch ein, eine Pilgermesse [!] zu besuchen. Ein Japaner namens Yoshi, den wir in unserer von Schweizern betriebenen Herberge kennenlernten, wurde dort genoetigt ein englisches Gebet vorzulesen, versagte voellig und hebte damit eindeutig meine Stimmung. Wieder in der Herberge genossen Astrid, eine Studentin aus Paris, und ich noch die Reste einer unglaublich leckeren Paella die zwei Spanier in vollkomenen Groessenwahn fuer mindestens 10 Personen zubereitet hatten. Ganz im Ernst, man wird von seinen Mitpilgern so oft mit Essensresten versorgt, das man gar nicht mehr selber kochen muss.

Millos und Alex: Die Vorstellung, dass ein Tag Pause alle Schmerzen der vergangenen Etappen heilen wuerde erwiess sich als nicht haltbar, sodass millos auch bei der naechsten Etappe starke Schmerzen im Knie hatte. Dennoch gingen wir weiter und verlaengerten unsere Etappe auf ca 25 km sodass wir in einem kleinem Dorf, dessen Name mir entfallen ist, einkehrten. Dort fanden wir eine Pilgerherberge vor, die gaenzlich unsere Erwartungen uebertraf. Im Anbau einer Kirche schleppten wir uns zunaechst attliche Treppenstufen hinauf und erblickten zunaechst einen Schlafsal ohne Betten aber dafuer mit kleinen Ledermatten. Wir stellten unsere Rucksaecke ab und machten uns auf den weg in das hoergelegene Stockwerk, wo wir einen urig eingerichteten

Gemeinschaftsraum mit Kamin vorfanden. Weiterhin gab es eine kleinen aber feine Kueche sowie diverse Musikinstrumente worueber sich Alex besonders freute. Wir kochten an diesem Mittag einen Zigeunertopf, der auch noch fuer den Abend gereicht haette. Freudig verkuendete uns jedoch der Herbegsvater, der uns bei unsere Ankunft bereits herzlich umarmt hatte, das am Abend alle zusammen kochen und essen. So halfen wir noch bei den Vorbereitungen und genossen am Abend ein vorzuegliches Essen. Unsern Zigeunertopf verdrueckte eine Deutsche Vegetarierin, die auf Nachfrage ihrer Nachbarn verkuendete das wir dieses Essen gekocht haben. Da alle anderen bereits bei der Nachspeise angelangt waren dachten nun jenen Herbergsgaeste , die der Deutschen Sprache nicht meachtig waren, wir haetten den Nachtisch gekocht, sodass schlussendlich diem ganze Gesellschaft fuer uns applaudierte.


Tag 42

Aus Tims Sicht:
Wir naeherten uns in grossen Schritten Burgos, der vermeintlich wichtigsten Stadt des Weges [abgesehen von Santiago]. Vorher fuehrte uns das Schicksal aber erstmal nach San Juan de Ortega, was so ziemlich das kaffigste Kaff auf der Liste der kaffigen Kaeffer darstellt. San Juan hat circa 30 Einwohner und besitzt ansonsten eine Herberge, eine Kirche und eine Bar. Ach ja, und eine Cola-Automaten. Die Einwohner muessen also entweder wie Amish-People durch Selbstversorgung leben, von Gott gespeist werden oder alle Cola-suechtig sein. Wer weiss. Das einzig erquickende war ein Gespraech mit einem aelteren Amerikaner namens Matt, der seit mehreren Jahren in Maastricht lebt und eine Art Philosoph oder sowas ist. Mit ihm schloss ich eine Wette ueber die zukuenftige Rolle Chinas und der Vereinigten Staaten in der Weltpolitik ab und habe mitlerweile auch Mailadressen mit ihm ausgetauscht.

Millos und Alex:
Wir erreichten an jenem Tag die Stadt Belorado und liessen uns vom Swimmingpool der Herbege ueberzeugen am Orteingang zu uebernachten. Wir humpelten nach unserer Ankunft runter in die Stadt und versorgten uns mit Salat und Reis und hatten mal wieder zu viel zu Essen. Am Abend traf dann noch unser Quoten Verruecker auf und tischte uns wiedermal eine absurde Story auf:

In 30 Jahren werde es aufgrund der Anwesenheit von Kristallkindern keine Kriege mehr auf dieser Welt geben. Jene Kristallkinder werden momentan geboren und sollen als Nachfolger Der Indigokinder den Menschen ein Verantwortungsvolles Leben beibringen. Sie besitzen diverse telepatische und telekinetische Faehigkeiten und werden dem Menschen lehren wie “verwerflich und falsch” es doch ist Fleisch zu Essen. Weiterhin sind sie sehr empfindlich gegenueber Schwingungen aus dem Weltall und koennen mitAliens kommunizieren. Millos fuehlte sich versetzt in die Serie 4400. Eine genaue wiedergabe seiner Worte ist aufgrund des kurz oben angerissenen Schwachfugs nicht moeglich.


Tag 43


Aus Tims Sicht:
Der Weg nach Burgos war gepraegt von haesslichen Industriegebieten. Meine einzige Ablenkung war das Singen von Intros alter Zeichentrickserien mit Phil. “Chip,Chip,Chip und Chap, Ritter des Rechts!”
Aber irgendwann war es da, Burgos, mit seiner riesigen Kathedrale, die, wie ich einigen Einheimische versichern musste “no tan bonito como el Koelner Dom” ist. Leider waren in der Stadt riesige Feierlichkeiten wegen dem Weltjugendtag in Madrid und christliche Dumpfbacken aus aller Welt tanzten zu Kirchengesaengen. Die ganze Stadt war voll. Um meine intolerant wirkenden Unmut zu erklaeren: Diese Menschen fuehren wahrscheinlich die tristesten Leben, und erfreuen sich nur einmal alle paar Monate daran, dass andere Leute auch an diesen Jesus glauben. Deprimierend. Zu allem Ueberfluss war auch noch das Grab von El Cid, meinem Lieblingshelden aus Age of Empires versperrt.
Am Abend verkuendeten Bene und Danny, dass sie zu zweit weiter laufen werden, da sie schneller in Santiago sein wollen. Als Begruendung nannten sie, dass sie dann ihre Freundinnen schneller sehen koennen [boese Zungen nennen das Notgeilheit].
Irgendwie knuepft man auf dem Camino schneller Freundschaften als Zuhause und dementsprechend war ich ein bisschen geknickt.

Millos und Alex:
Die letzten 3 Etappen waren optisch nicht gerade abwechlungsreich, sodass sich Alex und Millos sehr darueber freuten, das nach unzaeligen Quadratkilometern Getreidefeldern endlich mal wieder ein Wald hinter Villafranca auftauchte. Eine warnende SMS von Tim hielt uns davon ab in San Juan halt zu machen sodass wir an diesem Tag insgesamt 30km nach Atapuerca liefen, da dieser Ort wenigstens eine Baeckerei mit kleinem Supermarkt besass. Den Abend verbrachten wir im Garten einer privaten Herberge und freuten uns auf die vermeintlich kurze Etappe am naechstem Tag.

Tag 44

Auch Phil ging aus Burgos fort, versprach aber am naechsten Etappenziel auf uns zu warten. Ich hingegen loeste mein Versprechen ein und wartete auf Alex und Mill. Nach einigen Stunden des herumflanieren, -vagabundieren und -vegetieren meinerseits kamen sie auch endlich an. Da man nicht zweimal in einer Stadt in verschiedenen Herbergen schlafen darf, ich ja aber schon eine Nacht in Burgos verbracht hatte, mussten wir weiter. 10km weiter, irgendwo hinter Tardajos, sahen wir uns gezwungen im freien zu schlafen und erklommenen eine Berg. Der Ausblick war absolut gigantisch und auch der Sternenhimmel faszinierte uns sehr wie wir so in unseren Schlafsaecken lagen. [Ich musste den kleinen und den grossen Wagen allerdings zum zehnten Mal erklaeren. Auch hier ist Arroganz vollkommen unbeabsichtigt.]




Tag 45

Wieder aus der Sicht von allen: Alex abendlicher Ausruf “Lass das mal oefter machen!” erwies sich am naechsten Morgen als auesserst fragwuerdig. Durchgefroren, nass vom Tau und total uebermuedet, da die Spanier bis 4 Uhr Nachts irgendein Maria-Himmelfahrtsfest feierten, wachten wir auf und hakten das Thema Im-Freien-schlafen damit ab. Tim verkuendete auf dem Hoehepunkt seines Arroganten verhaltens, das Dehnen vollkommen ueberfluessig sei, da Millos ja sowieso immer kaputt ist. An dieser Stelle sei nochmals gesagt, das wir uns fuer 5 Tage getrennt hatten und Tim nicht den blassesten Schimmer von Millos Kondition hatte
Die Etappe erwies sich als aeusserst langwierig, aber umso groesser war die Freude als wir Phil in Castrojeriz wiedertrafen. Der dortige Herbergsvater erwies sich jedoch als sehr streng, da er Millos und Alex umgehend tadelte, da sie oben ohne waren. Er erinnerte sie daran, dass dies eine Stadt sei und fragte Alex, ob er denn wisse, was Manieren seien. Er log und sagte ja.

Hier eine kleine Beschreibung der Menschen, die wir kennen gelernt haben und mit denen die wir mehr zu tun haben.


Phil und Danny: Die beiden kommen aus der Naehe von Schweinfurt und haben beide ihr Abitur nachgeholt.Phil ist 22 und Danny 28. Phil ist Veganer, was wir auesserst tolerant in unsere Kochplanungen miteinbeiziehen und sucht ausdauernd nach Japanern, an denen er seine Japanischkenntnisse ausprobieren kann. Danny will Physik studieren, hat ein Jahr in Indien verbracht und bezeichnet sich selbst als Buddhist.

Bene: Bene kommt aus Berlin, ist 27 Jahre alt und ist passionierter Jaeger, was seine Beziehung zu Phil aber nicht beeintraechtigte. Er ist insgeheim wahrscheinlich ziemlich glaeubig, zumindest liebt er Messen, und wird von seiner Freundin in Santiago abgeholt. Wie unfair.

Tag 46

Vom Moenchsgesang wurden die Nogger um 6:30 geweckt und vom Herbergsvater zu Kaffee und Keksens gebeten. Irgendwie scheinen Kekse in diesem Land der Toastersatz zu sein, da man die Runden Butterkese hier wirklich an jeder Ecke und zu jedem Fruehstueck bekommt. Das Fruehstueck war recht simpel gehalten aber dennoch gut, sodass wir gestaerkt nach Fromista aufbrachen, das eigentliche Etappenziel. Da die Herbergen dort jedoch alle um die 7 Euro kosten sollten etschlossen wir uns, wie so oft weiter zu laufen. In der Herberge angekommen kochten wir wiedereinmal zu viele Nudeln sodass wir die halbe Herberge mitversorgen konnten und somit nicht nur einen weiteren Deutschen sondern auch einen Polen kennenlernte. Gegen Abend besuchte noch ein Dauerpilger die Herberge, der seit 16 Monaten durch Europa und Norafrika laeuft. Sein naechstes Ziel ist nach Italien die Stadt Jerusalem von wo er dann in Richtung Asien laufen moechte.

Freitag, 12. August 2011

Von Schinken und Familienaufstellungen

Tag 36

Schon am Morgen entschied sich Millos den ersten Teil der Etappe allein zu meistern, Tim und Alex hatten derweil stark mit der Morgenmüdigkeit und diversen Gliederschmerzen zu kämpfen. Erst als ein altes, gebrechliches Ömchen die beiden überholte, erwachte ihr Ehrgeiz zu neuem Leben und so holten sie Millos im nächsten Ort ein, von wo aus wir mit ihm und einer Dänin, welche Millos auf dem Weg getroffen hatte, weitergingen. Die Dänin stellte sich geschwindigkeitstechnisch als ein Griff ins Klo heraus und so zog das Triplett alleine weiter. Die Etappe wurde bis Estella zunehmend härter und so erreichten wir sehr erschöpft die Herberge, aus welcher uns spirituelle Klänge entgegenhallten. Den Tag verbrachten wir wie immer mit Schlafen, Essen und in der Sonne liegen, ohne kulturell aktiv zu werden. Einziger Höhepunkt des Tages war das Auftreten eines alten Bekannten, liebevoll "Schinken" genannt, welcher uns schon in Puente la Reina über den Weg gelaufen war. Reichlich angetrunken verkündete der Hundebesitzer stolz den Kauf eines Esels, den er am nächsten Tag erhalten sollte (Wortlaut: "Das ist ein Kumpel von mir, der mir den verkauft. Der bescheisst mich nicht!"). Zur Feier des Tages bot er uns einen Schluck von seinem zweifellos guten Tropfen an, welchen wir jedoch dankend ablehnten und uns in die Herberge begaben.

Tag 37

Als wir am nächsten Morgen mit Benedikt im Schlepptau die Herberge verliessen, um uns auf den Weg nach Los Arcos zu machen, hallte von hinten ein "Kssht!" an unsere Ohren. Denni und Phil hatten auch in Estella übernachtet, jedoch in einer anderen Herberge und somit machten wir uns gemeinsam auf den Weg. Auf der Hälfte der Strecke hatten wir den tragischen Verlust von Millos, welcher letztendlich doch von seinem schmerzenden Knie dahingerafft worden war, zu betrauern, trotzdem liefen wir weiter und kamen gegen Mittag im beschaulichen Los Arcos an. Dort liessen wir uns in einer belgischen Herberge mit sehr strenger Herbergsmutter nieder. Tim versuchte die Frau in eine politisch-brisante Diskussion zur Zukunft Belgiens zu verwickeln, scheiterte jedoch kläglich an ihrer kalten Bissigkeit, ganz zum Vergnügen der anderen. Den gesamten restlichen Tag verbrachten wir damit Kopfstand zu üben und die Steinskulpturen auf der nahegelegenen Wiese aufs Obszönste zu vergewaltigen. Am Abend machten wir Chilli con Carne und lernten dabei 2 sehr nette Studentinnen (eine aus Frankreich die andere aus Spanien) kennen. Mit den Themesongs diverser Kinderserien sangen wir uns schliesslich in den verdienten Schlaf.

Tag 38

Millos, welcher sich an diesem Morgen eher als langsam einschätzte, verliess die Herberge mit den Worten "Wir sehen uns in 5 Minuten.". Das Wiedersehen erfolgte jedoch erst um 1 Uhr mittags in Logroño, wo er bereits eine Stunde vorher in die erstbeste Herberge eingecheckt war. Die Etappe gestaltete sich im Grossen und Ganzen als sehr ausdauerzehrend, da man die Stadt schon 25 Kilometer vor Ankunft sehen konnte, sich ihr aber scheinbar nicht näherte, ganz gleich wie viel man lief. Vor allem die letzten 5 Kilometer gestalteten sich wie so häufig als besonders anstrengend. Auf dem Weg zum Supermarkt begegneten wir zufällig Charlotte und Christian (2 Bekannte aus Pamplona), mit welchen Millos und Alex noch den Abend feuchtfröhlich verbrachten, während sich der restliche faule Haufen schon zu Bett begeben hatte.

Tag 39

Die Etappe war eher langweilig und war geprägt von der dem Weg nahegelegenen Autobahn. Anfangs noch überflügelten Millos und Alex den restlichen Trupp, wurden jedoch kurz vor Navarette von ihnen eingeholt. Alex beschloss aufgrund seiner Fussschmerzen noch eine Weile am zuvor geplünderten Birnenbaum zu warten und allein weiterzugehen, während sich der Rest in Bewegung setzte. Kaum hatte er sich den viel zu schweren Rucksack aufgeschnallt und die Ohrstöpsel eingesteckt, kreuzte ein bereits bekanntes Gesicht seinen Weg. Der junge Mann stellte sich als "Paverl" vor und so liefen die beiden ein ganzes Stück zusammen, besuchten sogar eine Kirche und hatten viel zu erzählen, bis sich Alex auf den Lokus im Busch begab und Paverl beschloss schonmal weiterzuziehen. Die Triste Autobahn vor Augen steckte sich Alex erneut die Kopfhörer in die Ohren, doch schon nach 2 Liedern erblickten seine von der Sonne ausgetrockneten Augen ein weiteres bekannten Gesicht am Wegesrand. Es war Millos, der die Aussicht auf die wunderschöne Autobahn mit ein paar Keksen fröhnte.
Auf dem weiteren, ebenfalls tristen Weg schienen sich Alex und Millos Körper selbst zu zerstören, sodass jeder Schritt zur Höllenqual wurde. Kurzerhand beschlossen sie den nächsten Tag Pause zu machen. Von dieser Aussicht leider nur maginal beflügelt kamen die beiden erst 2 Stunden nach den anderen in Nájera an. Der Nachmittag verlief wie immer. Essen, Schlafen, Kopfstand üben.

Tag 40

Der unermüdliche und zweifellos den anderen beiden Noggern an Ausdauer und Selbstdisziplin überlegene Timbo hatte am Abend zuvor bereits beschlossen die Etappen bis Burgos mit Phil, Denni und Benedikt zu laufen, und so wachten Millos und Alex am nächsten Morgen in einem völlig leergefegten Schlafsaal auf. Erstes Ziel des Tages war die Gewichtsreduktion des Rucksacks und so begaben sich die beiden zur städtischen Post. Dort warfen die beiden alles was man zum Überleben normalerweise braucht in einen Karton, und schickten insgesamt 6 Kilo nach Hause zurück. Da man nur einen Tag in einer Herberge bleiben darf, liefen die Beiden einen Ort weiter nach Azofra, wo sie die "Albergue Municipal" aufsuchten, ein schickes, grosses Gebäude mit 2-Bett-Zimmern und einem Brunnen im Hof. Nach einem ausgiebigen Menü in einem der Restaurants kehrten die beiden wohlgenährt und schlafbereit zurück. Doch niemand hätte Ahnen können was dann passierte:

Als wir unsere gewaschenen Klamotten von der Wäscheleine holten, enttarnte uns ein Euskirchener mittleren Alters als Deutsche und verwickelte uns in ein zuerst interessantes Gespräch, welches jedoch schon kurz danach zum Monolog wurden, in dem der Mann ("Siegfried" sein Name) über seine berufliche Karriere erzählte. Nach Berichten über Steuerberaterausbildungen und seine Zeit beim Notdienst geriet das Gespräch... perdon, der Monolog völlig ausser Kontrolle. Siggi stellte sich als vollkommen verrückt heraus und fing an uns über seine unglaublich verdrehte Weltansicht aufzuklären, was sich auf Milli und Alex wie ein Drogentripp auswirkte. Zum einen war er der Meinung Menschen nur durch Berührungen von kleinen und grossen Übeln heilen zu können, zum anderen war er davon überzeugt durch obskure Techniken ("Familienaufstellung" das Wort) seiner Meinung nach banale Krankheiten wie Krebs oder ADHS erkennen und kurieren zu können. Alles selbstverständlich nur Dank des Lichtes, welches direkt aus dem Himmel in seinen Kopf schiesst. Zudem war der Mann auch noch streng gläubig und sämtliche Versuche seitens Alex, den Mann aus dem Konzept zu bringen scheiterten an seinem Untalent einfach nicht Erklären zu können, was uns noch mehr verwirrte.

Das Löschen der Lichter auf dem Hof rettete uns vor weiteren, schwerwiegenden traumatischen Schäden und so stürzten wir Tränen lachend in unser Zimmer.

Sonntag, 7. August 2011

Auf dem Weg zur Erleuchtung

Saint-Jean-de-Luz, Tag 26 bis 31

Die restlichen Tage in Saint-Jean-de-Luz lassen sich relativ schnell zusammenfassen: Im Grossen und Ganzen gammelten wir. Besondere Erwaehnung sollte natuerlichen noch finden, dass wir Besuch von Hanna, Lena, Mo und Bella erhielten, die dann spaeter unsere Fahrraeder mit nach Hause fuhren (ausser Tims, worueber sich dieser hiermit lautstark beschwert!) Dass nun unsere Freundinnen da waren, fuehrte natuerlich dazu, dass wir das herumliegen am Strand und im Zelt (ueberhaupt lagen wir ziemlich viel rum) noch mehr genossen. An dieser Stelle ein Gruss an Hanna und Lena, die diesen Blog leider ignorieren. :-)
Nachdem wir den Aufenthalt mit einem epischen Essen im Restaurant abgeschlossen haben, bei dem Millos im sportlichen Wettkampf andere Leute um ihre Pizza brachte.



Tag 32


Nun sollte es also endlich losgehen. Lena fuhr uns freundlicherwiese nach Saint-Jean-Pied-de-Port, dem Ausgangspunkt des Jakobsweges. Wir stellten uns schon auf ellenlange Schlangen im Pilgerbuero ein, es war jedoch komplett leer. Ohne Umschweife erhielten wir also unsere Pilgerpaesse, die einen als waschechten Pilger ausweisen und zum uebernachten in den Herberge obligatorisch sind.

Die erste Etappe fuehrt direkt durch die Pyrenaeen und gilt als eine der anspruchvollsten. Dabei gibt es noch eine leichtere und eine schwere Route, die nach Napoleon benannt ist, da er sie ebnete um mit seinen Truppen in Spanien einzufallen. In diese geschichtstraechtigen Fussstapfen traten wir also, als wir uns auf den Weg machten. Tatsaechlich war das Ganze aber gar nicht so anstrengend und wir waren nicht wirklich aus der Puste, als wir auf 1400 Meter Hoehe den gigantischen Ausblick genossen. Davor erhielten wir noch den ersten Stempel fuer unseren Pilgerpass von einem Franzosen der absolut perfekt Deutsch sprach und eine Statistik darueber fuehrte aus welchen Staaten die vorbeiziehenden Pilger kamen. Die meisten waren Spanier, Deutsche an dritter Stelle und sogar ein Neukaledonier hatte sich in die Pyrenaeen begeben.
Als wir uns auf dem Weg nach unten begaben und damit auch nach Roncesvalles, einer Klosterherberge, die das erste Etappenziel darstellt, mussten wir feststellen, dass ‘bergab’ nicht mehr so super war, wie beim Fahrradfahren: Wenn man mit Rucksack laeuft ist das verdammt anstrengend.
In Roncesvalles wurden wir in einen Container einquartiert und schliefen mit mehreren Spaniern in einem Raum.Vorher assen wir total versalzenen Reis und standen kurz vor einer Salzvergiftung.



Tag 33

Nach dieser ersten Etappe fuehlten wir uns schon als erfahrene Pilger und unterschaetzten die zweite Etappe ein wenig. Obwohl es eigentlich nicht annaehernd so bergig werden sollte wie am vorherigen Tage, machten uns die 27km schwer zu schaffen. In Sachen Steigung hatte der Reisefuehrer auch irgendwie gelogen.
In einem Dorf namens Zubiri machten wir kurz Halt, um eine Toilette aufzusuchen. In einer Herberge gestatteten uns auch zwei auesserst beleibte Schweizerinnen ihre zu benutzen, erwiesen sich aber ansonsten als ziemlich sonderbar, da sie uns fragten warum wir so schwitzen wuerden. Wir, die gerade 20km in der prallen Sonne zurueckgelegt hatten, konnten mit dieser Frage nicht allzu viel anfangen. Dann erfuhren wir dass die beiden an diesem Tag nur 5km gegangen waren und somit nicht verstehen konnten wie man beim Wandern schwitzen kann. Die beiden kommen dann wahrscheinlich in ein paar Jahren in Santiago an.
Vor Larrasueno, unserem Etappenziel trafen wir noch zwei Deutsche, Danny und Phil, die ihr Abitur nachgemacht haben und nun auch ein paar Monate frei haben. Bis dahin waren sie mit einer Frau unterwegs, die zwei Hunde mit sich fuehrt und wegen Hundefutter und Wasser auf 30kg (!) Gepaeck kommt. Da sie mit den Tieren in keine Herberge darf, schlief sie im Freien und Danny und Phil begleiteten uns zur Herberge, die leider voll war. Wir mussten also ein Zimmer in einer teureren Pension nehmen und verbrachten noch einen entspannten Abend mit den beiden.

Tag 34

Unser Reisefuehrer berichtete von einer deutschen Herberge in Pamplona mit dem frohlockenden Namen Paderborn. Auf der Suche nach deutscher Ordnung schafften wir es schon um 11 Uhr dort zu sein, also noch bevor sie aufmachte. Die 16km bis dorthin vergingen wie im Flug. Zwei Deutsche empfingen uns und versorgten uns mit Keksen und Orangensaft im Garten. Als die Herberge oeffnete wurden wir keineswegs enttaeuscht und fanden alles ordentlich und gemuetlich vor. Dort lernten wir viele andere nette Leute kennen, vor allem ein Paar namens Charlotte und Christian, mit denen wir einen schoenen Abend verbrachten. Leider laufen die beiden nur bis Logroño. Ausserdem lernten wir noch Benedikt aus Berlin kennen, mit dem wir in den folgenden Tagen mehr zu tun haben sollten. Aufgrund der Anstrengung fiel unsere Stadtbesichtigung relativ knapp aus, aber immerhin sahen wir einen Supermarkt und die Stierkampfarena.

Tag 35

Befluegelt vom guten deutschen Fruehstueck und harmonischer Aufwachmusik hechtete Millos voran und ging die Etappe ohne Tim und Alex, aber dafuer mit Stefan, einem Zollbeamten, der sich durchaus gut mit Droggenschmuggeln auskennt.
Tim und Alex waren ihrerseits auch wieder hochmotiviert und nahmen sich vor auf der 25km langen Etappe nach Puente la Reina keine einzige Pause zu machen. Unter grossem Aechzen und unter Beschwoerung eines Zitates von Yoda "Es gibt kein Versuchen, nur Machen" schafften sie es auch. Letztendlich trafen die beiden Gruppen mit 35minuetiger Differenz ein. In der Herberge trafen wir erneut auf Danny und Phil und verbrachten mit ihnen und den anderen Deutschen einen richtig schoenen Abend.

Der Herbergenpreis (zumindest fuer die offiziellen) scheint sich so auf 4 bis 6 Euro einzupendeln, plus circa 2 Euro fuer das Fruehstueck. Insgesamt sind die Herbergen ueberhaupt nicht so schlimm wie in einigen Reisefuehrern beschrieben. Wir sind meistens so kaputt, dass es fuer uns nichts schoeneres gibt als ein Bett, und Ansprueche haben wir ja sowieso nicht.